barking dog 2

Monogene Vererbung

mit Beispielen aus der Farbvererbung

und Gedanken zum Umgang mit Erkenntnissen aus der Genetik

 

Jeder Züchter, der sich mit dieser Materie befasst, hofft aus den gewonnenen Erkenntnissen Schlüsse ziehen zu können, die ihm bei seinen Zuchtzielen weiterhelfen. – Wenn es denn so einfach wäre ! –

Zunächst muss man sich vor Augen führen, dass eine angeborene Eigenschaft (erwünschtes Merkmal oder unerwünschter Fehler, Krankheit) nicht in jedem Fall genetisch bedingt ist, der Anteil der Heritatbilität ist zu prüfen und es dürfen keine voreiligen Urteile über die Vorfahren gefällt werden.

 

Bei aller Euphorie über „tolle neue Erkenntnisse“ muss man Realist bleiben und vor allem eindeutig wissenschaftlich erwiesene Tatsachen von Vermutungen trennen. Am besten ist das anhand von praktischen Beispielen zu erläutern. Hierzu möchte ich zunächst Malcolm B. Willis aus seinem Buch „Genetik der Hundezucht“ zitieren:

Gibt es nur eine kleine Anzahl „befallener Ahnenreihen“, sind Züchter häufig nur zu gerne bereit, alles dem Rüden X zuzuschreiben, einfach nur deshalb, weil er in den ersten fünf Generationen auf jeder Seite der Ahnenreihe auftritt. In vielen Fällen wurde die Art der Vererbung nicht einmal mathematisch überprüft. Man mag ja recht haben, aber größte Sorgfalt muss immer geübt werden. Das ursächliche Tier, das durchaus auch eine Hündin sein kann, könnte weiter zurückliegen, als der Rüde X, der vielleicht völlig unschuldig ist. Der Rüde X könnte nicht nur in allen „betroffenen Ahnenreihen“ erscheinen, sondern auch bei allen „nicht betroffenen“, ganz einfach, weil es sich um einen verbreitet benutzten Rüden handelt, in der Rasse eine züchterische Blutverengung vorliegt, zu der er auch beigetragen hat. Recht gut erinnere ich mich eines Hundebesitzers, der seinen Rüden aufgrund einer unerwarteten Aggressionshandlung einschläfern ließ. Danach wurden keinerlei weitere Ermittlungen angestellt, um herauszufinden, ob dieser Hund an irgendwelchen Krankheiten litt. Niemand sammelte weitere Informationen über das Wesen dieses Rüden. Man hätte fragen müssen, war er ein „Alpha-Rüde“, dem man es gestattet hatte, innerhalb des Haushaltes zum „Boss“ zu werden, hatte er sich einfach gegen „Disziplinierung“ gewehrt ? Wären diese Fragen zu bejahen, handelte es sich mehr um ein Rangordnungsproblem als um Vererbung. Man zog einen Züchter zu Rate, der aus der Ahnenreihe des Hundes einen bestimmten Namen kannte. Es folgte der Hinweis, dieser Name sei auch in anderen Ahnenreihen mit „Aggression“ verbunden; in einem Aufwasch hatte man damit diesen Ahnen als „Ursache für Wesensprobleme“ festgelegt. Der fragliche Hund erschien in den meisten Ahnenreihen der Rasse, war letztendlich auch in den Ahnenreihen aller Hunde, die mit irgendeinem Problem zu tun hatten. – Solche Torheiten werden von sogenannten erfahrenen Züchtern nur allzu oft praktiziert; diesen Ratgebern fehlt es an Ausbildung in den erforderlichen Wissenschaften.

Was ist nun aber für den „normalen“ Züchter eindeutig zu erkennen ? Hierzu beginne ich mit einem einfachen Beispiel aus der Farbvererbung mit autosomal rezessivem Erbgang, das jedem einleuchten müsste, da die Auswirkungen zu sehen sind. Dies kann sinngemäß auf ähnliche Erbgänge abgewandelt werden.

Ich erinnere mich noch an die Anfänge meiner „Züchter-Karriere“. Da von den Welpen aus dem ersten Wurf noch keine Ergebnisse bezüglich Prüfungen und HD-Werten vorlagen, war noch kein Wiederholungswurf geplant, sondern mir wurde ein anderer brauner Rüde empfohlen. Dieser brachte neben hohen Leistungen und einer gewissen „Vielfarbigkeit“ nach meiner heutigen Meinung nach auch andere Eigenschaften in die Zucht, auf die ich lieber verzichtet hätte, aber das steht auf einem anderen Blatt. Sein Vater war ein Braunschimmel mit rotem Brand. Mich interessierte das damals weniger, weil ich braune Wachtelhunde aus meiner braunen Hündin haben wollte. Aber verschiedene Leute, langjährige Züchter, hofften in dem Wurf einzelne Welpen mit rotem Brand zu finden und versuchten mit Gewalt etwas (ein rötlicher Anflug an den entsprechenden Stellen) hineinzusehen, was nicht da war – jedenfalls nicht bei der Wurfabnahme. Heute kann ich über diese „frommen Wünsche“ nur lächeln. Diese Leute hätten doch wissen müssen, dass man nur aus zwei Eltern mit diesem Merkmal sicher ebensolche Welpen erwarten kann. Aber mit der fachlichen Bildung stand es damals scheinbar nicht zum Besten und ich fürchte, dass es heute auch noch nicht viel anders ist – sonst würden sich manche „Märchen“ über die Vererbung nicht so hartnäckig unter Züchtern halten.

 

 

 

Deutscher Wachtelhund - Vererbung von ROT

Beim Deutschen Wachtelhund  kommt die Farbe Schwarz nicht vor, alle Hunde sind am B-Locus reinerbig für das rezessive Braun bb. Daher verwende ich als Beispiel für die Farbvererbung die Farbe Rot, die sich gegenüber Braun rezessiv verhält (ähnlich wie Braun zu Schwarz) aber an einem anderen Genort vererbt wird (E-Locus).

Möglich sind folgende Allel-Kombinationen:
EE genotypisch homozygot, phänotypisch braun
Ee genotypisch heterozygot, phänottypisch braun (Rotvererber)
ee genotypisch homozygot, phänotypisch rot

Bei nachstehenden Paarungsmöglichkeiten sind alle Welpen braun.

Fall 1

Eltern E E
E EE EE
E EE EE

Nachkommen alle braun

 

Fall 2

Eltern E e
E EE Ee
E EE Ee

Nachkommen alle braun
davon 50 % Rotvererber

 

Fall 3

Eltern e e
E Ee Ee
E Ee Ee

Nachkommen alle braun
100 % Rotvererber

 

Um für die gezielte Zucht von rehroten Hunden mögliche Partner zu finden, sind neben den roten Hunden auch die Rotvererber herauszufinden. Hierbei können eindeutig folgende Aussagen getroffen werden:

Beide Elternteile eines roten Hundes sind eindeutig Rotvererber.

Alle Nachkommen eines roten mit einem braunen Hund sind Rotvererber.

Von den braunen Geschwistern eines roten Hundes bzw.
von den braunen Nachkommen zweier Rotvererber (Fall 4)
können 2 / 3 Rotvererber sein (Chance 2 : 1)
Es ist jedoch nicht festzustellen (abgesehen von einem möglichen Gentest), welche der Geschwister wirklich Rotvererber sind.

Aus folgenen Möglichkeiten können bzw. müssen (Fall 6) rote Welpen fallen:

Fall 4

Eltern E e
E EE Ee
e Ee ee

braune Nachkommen
25 % reinerbig
50 % Rotvererber
rot 25 %

 

Fall 5

Eltern e e
E Ee Ee
e ee ee

50 % braun
Rotvererber
50 % rot

 

Fall 6

Eltern e e
e ee ee
e ee ee

alle Nachkommen rot

 

Bei der Paarung von zwei beliebigen braunen Partnern ist das Auftreten von Rotvererbern möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich. Selbst wenn ein Partner zufällig Rotvererber wäre, ist die Chance nur noch bei 50 % der Nachkommen gegeben.

Sofern in einem Wurf aus einem roten mit einem Braunen nur braune Welpen liegen, beweist dies nichts, da es der Zufall entscheidet, welche der beiden Allele jeder einzelne Welpe von seinen Eltern erbt. Aber ein einziger roter Welpe würde das braune Elterntier als Rotvererber identifizieren.

Erst bei einer hohen Anzahl von Nachkommen, die in der Hundezucht nicht zu erreichen ist, müssten annähernd obige Prozentverhältnisse erreicht werden.

 

obige Beispiele für die Farbvererbung lassen sich beim DW sinngemäss auf andere Farbvarianten übertragen, da sich z.B. Braunschimmel/Braunscheck ebenfalls rezessiv gegenüber vollfarbig Braun/Rot verhält.

Auch der Rote Brand (Tan Points) vererbt sich rezessiv gegenüber vollfarbig, ist jedoch nur bei den Braunen zu sehen, während auch Rote das Gen hierfür haben können, falls reinerbig aber nicht sichtbar.  Hier gibt es noch eine weitere Besonderheit, da man manchen braunen Vererben des roten Brandes dies je nach Lichtverhältnissen ansehen kann.

Meine rote Hündin Carmina stammt aus der braunen Bellinda, der Vater Jogi war braun mit rotem Brand. folglich musste Carmina Träger von "Brand" sein. Für den dritten Wurf fuhren wir zu dem Braunen Uncas, den ich vorher noch nicht gesehen hatte. Aaf dem Bild kann man es evtl. nicht so gut erkennen wie im Original, aber als ich den Hund zum ersten mal sah, war ich mir sicher, dass wir Welpen mit Brand bekommen würden. Ich sollte recht behalten, im W-Wurf lagen 4 Braune, 3 Braun mit Brand, 2 rehrote.

 

 

Leider gehen die Kenntnisse der Züchter, je nachdem wie der Zuchtverein die Ahnentafeln ausstellt, selten über 3 bzw. 5 Generationen hinaus. Oft sind zwar Champion-Titel der Vorfahren (die überwiegend auf den Ehrgeiz der Besitzer zurückzuführen sind) oder entsprechende Prüfungsergebnisse dort vermerkt, aber keine eindeutig feststellbaren Merkmale wie Farbe oder Größe oder HD-Grad.

Während beim Deutschen Wachtelhund vom VDW die Ahnentafeln (Pedigrees) seit ich mich erinnern kann schon immer über 5 Generationen ausgestellt wurden und Farbe sowie Prüfungs- und Leistungszeichen bei den Eltern vermerkt wurden, enthalten die Ahnentafeln der Schweizer Sennenhunde heute noch beim SSV nur 3 Generationen , die HD-Werte der Ahnen (soweit bekannt) sind aufgeführt, aber keine eindeutige Farbangabe: der Hinweis dreifarbig ist zumindest beim Appenzeller nichtssagend, da lt. Standard die Grundfarbe schwarz oder havannabraun sein darf.

Die Farbvererbung der rehroten gegenüber braunen Wachtelhunden verhält sich sinngemäß wie braun gegenüber schwarz, liegt jedoch auf einem anderen Genort. So hatte ich einmal in einem Wurf, bei dem ich dies für Unmöglich gehalten hätte, einen einzelnen roten Welpen. Bei näherem Nachforschen, was mir aufgrund der Angaben in Ahnentafeln und Zuchtbüchern leicht möglich war, fand ich auf beiden Seiten nach 7 bzw. 8 Generationen jeweils rote Vorfahren. Dies zeigt deutlich, wie lange – hier waren es über 30 Jahre – ein seltenes rezessives Allel (sei es für Farbe, eine Krankheit, oder für eine andere Anlage) versteckt weitergegeben werden kann, bis es nach Jahren zufällig auf ein passendes Allel trifft und dann (reinerbig) zur Ausprägung kommt. Dabei muss das passende Allel nicht von dem gleichen Ahnen stammen, sondern kann auch von zwei verschiedenen Vorfahren kommen.

Insofern kann es auch bei Paarung von zwei nicht oder wenig verwandten Tieren oder in einer freilebenden Population (Wildtiere) zur Ausprägung von einem seltenen Merkmal kommen, wenn das rezessive Allel hierfür in der Population noch vorhanden ist. Die Inzucht (oder Engzucht) verstärkt jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass der Nachkomme dieses Merkmal von einem mehrfachen Ahnen doppelt erhält und das Merkmal zur Ausprägung kommt. Mit Gewissheit lässt sich jedoch nur vorhersagen dass Nachkommen das rezessive Allel erben, wenn ein Elternteil dieses reinerbig trägt. Alles andere sind Wahrscheinlichkeitsberechnungen, eindeutige Aussagen sind nicht möglich.

Nachdem es dem einzelnen Züchter oder Berater nicht möglich ist, alles zu wissen und auch immer wieder Neulinge mit dem Züchten anfangen, steht uns heute mit der EDV und entsprechenden Datenbanken ein wertvolles Hilfsmittel zur Verfügung. Es ist nicht nur eine Sammlung aller Daten, sondern viele Zuchtvereine haben die Zuchtwertschätzung eingeführt und setzten diese in der Zuchtplanung ein, um erwünschte Merkmale zu fördern und besonders auch um unerwünschte Merkmale (Anlagen für Krankheiten) zu vermindern. Hier handelt es sich oft um polygene Merkmale, bei denen der Erbgang nicht so einfach zu durchschauen ist wie bei obigem Farben-Beispiel. Bei der Zuchtwertschätzung wird die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Merkmals im Verhältnis zur Gesamtpopulation berechnet, und zwar unter Hinzuziehung der erfassten Werte des Hundes selbst sowie seiner Vorfahren, Voll- und Halbgeschwister sowie Nachkommen.

Da jeder Zuchtverein andere Prioritäten hat, sind die Zuchtwerte untereinander meist nicht vergleichbar, sondern nur auf die Population bzw. den Verein anwendbar, für den sie erstellt wurden. Diese Probleme muss man kennen, wenn man damit arbeiten will. Die Zuchtwerte sind um so aussagekräftiger, je größer die Datenmenge ist, die ihnen zugrunde liegt. Wenn in einer Rasse von unter 30 % der Hunde Daten erfasst werden, lässt dies sehr zu wünschen übrig. Es ist auch möglich, dass verschiedene Züchter schlechte Ergebnisse „unter den Teppich kehren“, um den eigenen Zwinger im besten Licht erscheinen zu lassen. Dabei bedenken Sie nicht, dass sie damit der Rasse und letztendlich auch wieder sich selbst schaden.

Selbst bei HD-Werten, die international nach annähernd gleichen Richtlinien ermittelt werden, ist die Zuchtwertschätzung nur bedingt auf ähnliche Populationen anwendbar. Soweit bei einer Rasse die inländischen Hunde erfasst werden, darf bei einer geplanten Paarung mit einem Hund aus dem Ausland der mehr theoretisch ermittelte Zuchtwert nicht mit der selben Gewichtung betrachtet werden wie bei einem inländischen Partner und evtl. Grenzwerte müssten, wenn der Hund selbst einwandfrei und zur Zucht zugelassen ist, außer Kraft gesetzt werden. Da bei ausländischen Hunden nicht alle erfasst werden, sondern nur einige willkürlich ausgewählte Tiere, z.B. als Vorfahren eines importierten Hundes, deren ebenfalls untersuchte Geschwister oder nahe Verwandte aber nicht gleichzeitig erfasst werden, kann so die Aussage leicht zu unrecht positiv oder negativ verfälscht sein.

In diesem Sinne wäre eine bessere Vereins- und Grenzübergreifende Zusammenarbeit anstelle Konkurrenzdenken innerhalb einer Rasse wünschenswert.

Bei den Zuchtwerten ist auch zu berücksichtigen, dass diese Zahlen nicht einmal festgeschieben werden und bleiben, sondern sich in einem ständigen Wandel befinden. Alle Daten die nach und nach erfasst werden wirken sich aus. Werte von Verwandten und Nachkommen wirken sich unmittelbar auf den Zuchtwert eines Hundes aus und können diesen bei jeder zusätzlichen Datenerfassung nach oben oder unten korrigieren. Der Wert ist um so genauer, je mehr der vorhandenen Nachkommen eines Hundes geprüft sind. Aber auch die Gesamtmenge der Daten wirkt sich aus. Meine Wachtelhündin, mit der ich die Zucht begonnen habe und die in den meisten braunen Linien vorhanden ist, hat heute nach 20 Jahren in Relation zur Gesamtrasse bei HD einen derart schlechten Zuchtwert, dass ich für sie keinen Zuchtpartner mehr finden würde. Dies besagt aber nicht, dass sie früher falsch bewertet war (die Zuchtwertschätzung wurde in diesen Jahren erst eingeführt), sondern dass die Rasse insgesamt einen positiven Fortschritt gemacht hat und sie deshalb im Verhältnis zum Rassedurchschnitt abgesunken ist. Es zeigt auch, dass der sinnvolle Einsatz der Zuchtwertschätzung der Rasse einen langsamen aber stetigen Fortschritt in die richtige Richtung bringt. Und nicht nur das, auch meine heutigen Hunde liegen bezüglich den HD-Zuchtwerten nicht an dem akzeptierten Grenzwert, sondern durchaus im positiven Bereich.

Ohne Einschränkung ermittelbar ist dagegen der Inzuchtkoeffizient, der jedoch zur Berechnung ebenfalls entsprechend umfangreiche Datenbanken benötigt. Daher ist auch hier eine Vereins- bzw. Grenzübergreifende Zusammenarbeit wünschenswert, und zwar je mehr, je kleiner die einzelnen Länderpopulationen sind und je mehr Austausch von Zuchttieren stattfindet. Andernfalls fehlen oft für weitergehende Berechnungen die Ahnen, die über die ersten 3 bzw. 5 Generationen (lt. Ahnentafel) hinausgehen.

Der Inzuchtkoeffizient sagt nichts darüber aus, ob der Hund gut oder schlecht ist, sondern wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass er von einem mehrfachen Ahnen ein Gen doppelt erbt, aber nicht, welches dies sein könnte.

Die Werte, die in Zuchtbüchern und Verzeichnissen stehen, sagen den Gesamtwert für diesen Hund oder Wurf aus. Dabei kann dieser Wert für einen Hund gelten, der sowohl unter den väterlichen als auch unter den mütterlichen Ahnen ein- oder mehrmals vorkommt oder der IK. kann sich auch aus den Werten für mehrere Ahnen, die auf beiden Seiten vorkommen, addieren.

Da die Inzucht gewisse Gefahren birgt, da sie zwar selbst nicht Krankheiten hervorbringt aber das Auftreten von Erbkrankheiten begünstigt, wird heute vermehrt darauf geachtet, dass die Zuchtpartner nicht allzu eng verwand sind. Eine eingeschränkte Anzahl an möglichen Zuchttieren, z.B. durch die Auslese für die Zuchtzulassung, setzt hier insbesondere bei Rassen mit kleineren Populationen von vorneherein gewisse Grenzen. Deshalb sollte bei der Zuchtplanung zunächst analysiert werden, wie viel Inzucht auf welchen Hund vorliegen würde und ob von diesem bekannt ist, ob er irgendwelche Fehler vererben könnte. Wenn ja, sollt er besser nicht auf beiden Seiten vorkommen.

Wie bereits aus den Beispielen über die Farbvererbung zu ersehen, kann ein seltenes Merkmal nach vielen Generationen plötzlich wieder einmal zum Vorschein kommen. So kann eine seltene Krankheit oder Missbildung plötzlich bei einem Hund einer Rasse auftreten, wo es diese Erkrankung noch „nie“ gegeben hat, genauso wäre diese bei einer Wildtierpopulation denkbar, auf die der Mensch keinen Einfluss hat. Aber woher wollen wir das so genau wissen? War es vielleicht so, dass man diese Erkrankung vor 50 Jahren vielleicht noch gar nicht erkennen konnte ? Oder dass man eben um einen Hund nicht so viel Aufhebens machte, der war halt ein Kümmerer und ist irgendwann eingegangen? Hier fangen mit den Möglichkeiten der modernen Medizin unsere Probleme an. Heute haben wir die Möglichkeit, den Defekt operativ zu beheben und der Hund ist anschliessend phänotypisch vollkommen gesund, dazu noch so ein schönes und gutes Exemplar, warum nicht damit züchten?

Auf gar keinen Fall, das wäre das allerschlimmste. In der Natur würde so ein Tier an diesem schwerwiegenden Fehler sterben und somit nie in die Zucht kommen. Dies ist ein Teil der „natürlichen Auslese“. Sobald wir Menschen eingreifen, richten wir Schaden an. Es ist nichts dagegen einzuwenden, dem betroffenen Hund zu helfen und ihm ein normales Leben zu ermöglichen, wenn man schon für ihn die Verantwortung übernommen hat. Aber es wäre der Rasse gegenüber unverantwortlich, die Erkrankung zu verschweigen und mit diesem Hund zu züchten. Ein einzelner Fall erbringt noch nicht den Nachweis, ob die Erkrankung erblich bedingt ist. Der Schaden könnte z.B. auch in der Embryonalphase erworben sein (angeboren, aber nicht ererbt). Die mögliche Erblichkeit kann andererseits aber auch nicht ausgeschlossen werden. Dann wäre dieser Hund analog zur Farbvererbung für den Defekt reinerbig. Seine Nachkommen wären alle Merkmalsträger und würden zu weiteren Ausbreitung des Merkmals in der Rasse beitragen. Nehmen wir uns daher ein Beispiel an der Natur und halten diesen Hund von der Zucht fern.

Für den IK drei Ahnengenerationen heranzuziehen, reicht im allgemeinen nicht aus.
Ein Wurf kann z.B. hier IK = 0 haben, während ein anderer IK = 3,2 hat. Zieht man jedoch 5 Generationen hinzu, steigt der erste Wurf auf IK= 4,25 an, während der zweite nicht mehr ansteigt. Welche Möglichkeit man vorzieht, muss man individuell entscheiden. 5 Generationen müssten jedoch in der Regel ausreichen, da ein Vorfahre, der noch weiter zurückliegt nur noch einen minimalen Anstieg bewirkt.

Es steht jedoch fest, dass gerade dann, wenn man noch mehr Generationen zurück geht, immer mehr Hunde auftauchen, die mehrfach vorkommen und man dann kaum noch welche findet, die nicht irgendwo entfernt miteinander verwandt sind, zumal früher besonders einzelne bekannte Rüden übermäßig eingesetzt wurden.

Deshalb dürfen auch diese ganzen Zahlen nicht überbewertet werden, sondern Sie dienen als Hilfsmittel für die Vorauswahl. Letzendlich ist aber dann die Entscheidung des Züchters gefragt, für welchen Hund er sich entscheidet, wobei auch noch andere Dinge, wie z. B. das Verhalten hineinspielen. Wir wollen komplette Hunde züchten und keine Zuchtwerte mit 4 Beinen und deshalb muss man den Hund als Ganzes betrachten. Und dann gehört noch ein Quentchen Glück dazu !

Denn wenn alles so einfach wäre und sich berechnen ließe, würden wir mit unserem „ großen Wissen“ (aber leider oft wenig Verständnis für die Natur) nur noch „Super-Hunde“ ohne Fehler züchten. Aber dann kommen unerwartete Rückschläge, die die besten Planungen zunichte machen. Man kann aufgeben – oder es anders machen und noch einmal versuchen. Und wer nicht bereit ist, das auf sich zu nehmen, der sollte mit dem Züchten gar nicht erst anfangen.

 

Ingrid Wenz / im Mai 2003

 

P.S.
Wer es wirklich geschafft hat, diesen Text bis zum Ende zu lesen, der macht sich wohl schon seine Gedanken um die Hundezucht. Ich würde mich dazu mal über einen Eintrag im Gästebuch freuen, welcher Eindruck geblieben ist.